Kai Arzheimer und Jürgen W. Falter: Die Pathologie des Normalen. Eine Anwendung des Scheuch-Klingemann-Modells zur Erklärung rechtsextremen Denkens und Verhaltens.

 

home.gif (1011 bytes)zurück zur Homepage

zurück zur Publikationsliste

PDF-Version

1.         Einleitung und Fragestellung

 

„Politischer Extremismus“ gehört zu den wichtigsten und am häufigsten benutzten, aber auch zu den umstrittensten Begriffen der Sozialwissenschaften: Einerseits wird der Terminus von Wissenschaftlern und politischen Praktikern täglich zur Analyse und Beschreibung politischer Phänomene verwendet. Andererseits besteht in der Literatur aber wenig Einigkeit darüber, was überhaupt unter Extremismus verstanden werden soll, auf welche Objekte der Begriff bezogen werden muß, und wie extremistische Einstellungen und Handlungen erklärt werden können (Winkler 1996, 2001). Neuere Studien zum Extremismus beginnen deshalb häufig mit „einer Erörterung der Bedeutung der von ihnen verwendeten Begriffe“ (Druwe/Mantino 1996:66).

 

Bitte beachten Sie: Es handelt sich bei diesem Text nicht um die endgültige Druckfassung, sondern um ein Manuskript. Bitte zitieren Sie deshalb bitte nur nach der gedruckten Fassung!

Bei näherer Betrachtung zeigt sich schnell, daß die Extremismusforschung durch eine Vielzahl konkurrierender Ansätze gekennzeichnet ist, die teilweise nur einen geringen Strukturierungsgrad aufweisen. Dies läßt sich u.a. dadurch erklären, daß in diesem Bereich zwar kontinuierlich geforscht wird, die Wissenschaft zugleich aber stärker als in anderen Teilgebieten auf die – zumindest für Deutschland typische - wellenartige Häufung von politischen und gesellschaftlichen Ereignissen reagiert hat, die vielfach als Demokratiebedrohung empfunden wurden. Wahl- und Parteienforscher, Psychologen, Soziologen, Pädagogen, Historiker und politische Philosophen haben sich deshalb immer wieder aus der Perspektive ihrer jeweiligen Disziplin mit einzelnen Erscheinungsformen des politischen Extremismus auseinandergesetzt, sobald dieser Bereich an aktueller Bedeutung gewann. Ihre Analysen beschränkten sich jedoch bisher in der Regel auf eng abgegrenzte Teilaspekte des Phänomens Extremismus – Ideologien, politische Einstellungen, die Rolle von Organisationen, politischen Traditionen, Wahlsystemen, gesellschaftlichen Faktoren oder des unmittelbaren sozialen Umfeldes – und ignorierten dabei häufig genug die Ergebnisse der jeweils anderen Forschungstraditionen. Hinzu kommt, daß die Analyse extremistischer Phänomene in Deutschland oft von normativen und klassifikatorischen Überlegungen und insbesondere von der Frage nach dem Verhältnis von Links- und Rechtsextremismus überlagert wurde. Solche Perspektiven haben zwar ihre Berechtigung, tragen aber wenig zum Verständnis der Dynamik extremistischer Bewegungen bei und sind insbesondere dann problematisch, wenn sie normative und deskriptive Aussagen miteinander vermengen. Trotz einer mehr als fünfzigjährigen Forschungstradition existiert deshalb bis heute keine empirisch gehaltvolle und allgemein akzeptierte Theorie, welche die Erfolge extremistischer Parteien in modernen Gesellschaften umfassend erklären könnte.

Bereits 1967 haben aber Erwin K. Scheuch und Hans-Dieter Klingemann mit ihrer „Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften“ das Grundgerüst einer solchen umfassenden Erklärung skizziert. Da das Konzept von Scheuch und Klingemann meist nur in der stark verkürzten Form der sogenannten „Modernisierungsverliererhypothese“ rezipiert wird und bis zum heutigen Tage kaum jemals operationalisiert wurde (vgl. aber Klein/Falter 1996), wollen wir die Gelegenheit nutzen, diesen ambitionierten Erklärungsversuch einem breiteren Publikum vorzustellen und zugleich wesentliche Teile der Theorie empirisch auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen.

2.         Das Modell von Scheuch und Klingemann

2.1       Begrifflichkeit

Der für die Studie von Scheuch und Klingemann titelgebende Begriff des Radikalismus weist im deutschen, angelsächsischen und romanischen Sprachraum eine ebenso lange wie komplizierte Geschichte auf (vgl. ausführlich Wende 1984). Seit dem Ende der zwanziger Jahre wurde die Radikalismusvokabel in der politischen wie in der Wissenschaftssprache verwendet, um ganz allgemein Phänomene an beiden Rändern des politischen Spektrums zu bezeichnen (Backes 1989: 64). Dieser Tradition folgend nehmen Scheuch und Klingemann in ihrer Studie keine Definition im eigentlichen Sinne vor. Statt dessen knüpfen sie an die ältere Literatur und hier insbesondere an die Studie von Adorno et al. (1950) an, indem sie eine Reihe von Bestandteilen eines rechtsradikalen Einstellungsmusters aufzählen. Zu den Kernelementen dieses Einstellungssyndroms rechnen sie die Ablehnung demokratischer Regeln, eine negative Einstellung gegenüber Fremdgruppen, eine Neigung zu Verschwörungstheorien und eine Vorliebe für „konservative ökonomische und politische Ideologien“ (Scheuch/Klingemann 1967: 13).

Im Gegensatz zu der späteren Studie von Klingemann und Pappi (1972) verwenden Scheuch/Klingemann den Ausdruck Extremismus im wesentlichen als Synonym für Radikalismus. Unter Extremismus verstehen sie „die grundsätzliche Ablehnung der gegenwärtigen Gesellschaftsform und ihrer politischen Organisation als untragbar, ja böse unter Verweis auf einen alternativen und effizienteren Organisationstyp der Gesellschaft“ (Scheuch/Klingemann 1967: 22). Links- und Rechtsextremismus unterscheiden sich dabei durch ihren normativen Bezugspunkt. Während sich Linksextremisten an einer „zukünftige[n] Idealsituation (...) deren wesentliches Vollzugsorgan die Bewegung Gleichgesinnter bleiben soll“ (Scheuch/Klingemann 1967: 22) orientieren, streben Rechtsextremisten nach einer „(verbesserte[n]) Wiederherstellung vergangener Organisationsformen und Werte“ (Scheuch/Klingemann 1967: 23). [1]

In Anlehnung an Scheuch und Klingemann wollen auch wir in diesem Beitrag mit Extremismus/Radikalismus eine fundamental negative Einstellung gegenüber der bestehenden Gesellschaftsordnung, d.h. der liberalen Demokratie bezeichnen, die ihren spezifischen „rechten“ bzw. „linken“ Charakter durch entsprechende alternative Wertorientierungen und Ordnungsvorstellungen gewinnt. Wie Scheuch und Klingemann beschränken wir uns dabei im wesentlichen auf die Untersuchung rechtsextremistischer Einstellungen und (Wahl-)Handlungen.[2]

2.2       Struktur und Erklärungsmuster

Ihrer Struktur nach handelt es sich bei der von Scheuch und Klingemann vorgeschlagenen „Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften“ um ein Mehr-Ebenen-Modell. Bei dieser Form der Theoriebildung, die in der neueren Literatur häufig als Idealfall einer soziologischen Erklärung betrachtet wird (Hummell/Opp 1971, Coleman 1994, Opp 1995, Esser 1996), werden Phänomene auf der Makro-Ebene wie beispielsweise eine Zunahme des Stimmenanteils rechtsextremer Parteien nicht direkt durch andere Makrophänomene erklärt. Charakteristisch für Mehr-Ebenen-Erklärungen ist vielmehr die Mikrofundierung der Theorie: Befunde auf der Makro-Ebene werden auf die Aggregation individueller Einstellungen und Handlungen zurückgeführt. Die Prozesse auf der Mikro-Ebene, die für diese Einstellungen und Handlungen verantwortlich sind, lassen sich ihrerseits wieder durch Makro-Einflüsse erklären. Je nach Erklärungsanspruch können dabei die Wirkung der zwischen Individuum und Gesellschaft geschalteten sozialen Gebilde (Meso-Ebene) entweder als black box betrachtet oder detaillierter analysiert werden. Wegen ihres typischen Argumentationsganges, der sich graphisch gut veranschaulichen läßt – Phänomene auf der „höheren“, gesellschaftlichen Erklärungsebene bringen Wirkungen auf der „niedrigeren“ Individualebene hervor, die ihrerseits wieder die übergeordnete gesellschaftliche Ebene beeinflussen – wird die Mehr-Ebenen-Erklärung manchmal auch als „Badewannenmodell“ bezeichnet.

Mit Hilfe dieses Grundmodells läßt sich der Ansatz von Scheuch und Klingemann in kompakter Form rekonstruieren. Am Anfang der von den Autoren skizzierten Kausalkette stehen vier Befunde auf der Makro-Ebene (in ihrer Terminologie: „Strukturbedingungen“), die als charakteristisch für „sich rasch wandelnde Industriegesellschaften“ angesehen werden (1967: 17):

1.     Zwischen „den für Primärgruppen kennzeichnenden Werten und Verhaltensweisen einerseits und den funktionalen Erfordernissen der sekundären Institutionen (z.B. Betrieb, Behörden, Organisationen) andererseits“ bestehen Gegensätze.

2.     Aufgrund der Ungleichzeitigkeiten in der ökonomischen Entwicklung, die unterschiedliche Produktionsformen nebeneinander fortexistieren läßt, treten außerdem Widersprüche zwischen den „in der eigenen Berufssituation geltenden und den die gesellschaftlichen Entwicklung determinierenden Faktoren“ auf.

3.     Zugleich sind die Beziehungen zwischen Bürgern und politischer Führung „prekär geworden“. Während einerseits immer mehr Menschen von Fehlleistungen der Politik direkt betroffen sind, werden die „traditionellen Mittel der Einflußnahme“ (Wahlbeteiligung und Mitgliedschaft in Parteien) als unzureichend empfunden.

4.     Darüber hinaus werden diese gesellschaftlichen Konflikte in den Medien nicht in ausreichendem Umfang thematisiert.

In modernen Gesellschaften bestehen also vielfältige Konflikte zwischen konkurrierenden Wert- und Normsystemen, die aufgrund der unter 3. und 4. genannten Defizite nicht angemessen artikuliert und ausgetragen werden. Verschärft wird diese Problematik durch die in Industriegesellschaften gegenüber älteren Gesellschaftsformen zu beobachtende Beschleunigung des sozialen, politischen und ökonomischen Wandels, die eine beständige Umwertung der Werte nach sich zieht und dabei den Individuen (und den intermediären Organisationen) nur wenig Zeit läßt, ihre eigenen Wertvorstellungen anzupassen. Die parallele Abwertung beruflicher Qualifikationen durch den Modernisierungsprozeß und die damit verbundenen Statusverluste für bestimmte Gruppen, die in der neueren Forschung in Form der Modernisierungsverliererhypothese häufig mit (Rechts-) Extremismus in Zusammenhang gebracht werden (Winkler 1996: 34), spielen hingegen bei Scheuch und Klingemann noch keine wesentliche Rolle, könnten aber problemlos als weiterer Faktor in das Erklärungsmodell integriert werden.

Im zweiten Schritt der Erklärung verlassen Scheuch und Klingemann die Makro-Ebene: Die genannten gesellschaftlichen Konflikte werden ihnen zufolge vom Individuum als irritierende normative „Unsicherheiten“ wahrgenommen (1967:18).[3] Eine „pathologische“ Form der Anpassung an diese normativen Unsicherheiten besteht Scheuch und Klingemann zufolge in der Entwicklung eines rigiden Denkstiles im Sinne der von Adorno et al (1950), Eysenck (1954) und Rokeach (1960) entwickelten Konzepte (Scheuch/Klingemann 1967: 18f), durch den die als störend empfundenen Ambiguitäten aufgelöst werden. Ein solcher Denkstil beinhaltet die Entwicklung von Freund-Feind-Schemata, die Bevorzugung einfacher und dabei radikaler politischer Konzepte sowie die Abwehr neuer Erfahrungen und Informationen über die soziale und politische Realität, welche die gewonnene Sicherheit wieder in Frage stellen könnten.

Ob, in welchem Umfang und in welchen Ausprägungen dieser rigide Denkstil zur Ausbildung extremistischer Einstellungen auf der Individualebene führt, hängt Scheuch und Klingemann zufolge wiederum von einem Makro-Faktor ab: der Verfügbarkeit entsprechender „politischer Philosophien“ (1967:20) in der nationalen politischen Kultur. Da die meisten Bürger nur ein geringes Maß an politischem Interesse aufbringen (van Deth 2000), werden nur wenige Menschen aus sich heraus politisch relevante extremistische Einstellungen wie z.B. eine feindliche Haltung gegenüber bestimmten sozialen Gruppen, eine Ablehnung der Demokratie und des Pluralismus oder sogar die Befürwortung eines revolutionären Umsturzes, entwickeln. Wenn aber das kulturelle System einer Gesellschaft entsprechende Ideologiefragmente zur Verfügung stellt, besteht die Möglichkeit, daß diese von einem Teil derjenigen Bürger, die einen rigiden Denkstil entwickelt haben, aufgenommen werden, weil sie deren Bedürfnis nach einfachen Erklärungen und drastischen Maßnahmen befriedigen, so die (weitgehend implizite) Argumentation der Autoren.

Falls ein Teil der Bürger extremistische Einstellungen entwickelt, führt allerdings auch diese Tatsache noch nicht zwangsläufig zu einer Wahlentscheidung Egos zugunsten einer extremistischen Partei. Neben einer Reihe von Einflußfaktoren, die aus einer über den Ansatz von Scheuch und Klingemann hinausgehenden Handlungstheorie abgeleitet werden müßten, spielen hier wiederum zahlreiche institutionelle und andere Makro-Faktoren, auf die Scheuch/Klingemann allerdings nur am Rande eingehen (1967:20f), sowie deren Wahrnehmung durch die Bürger eine wichtige Rolle. Zu denken ist dabei in erster Linie an die Anzahl und die organisatorische Stärke der extremistischen Parteien, an die rechtlichen Vorschriften, die die Gründung, Kandidatur und Wahlwerbung einer (extremistischen) Partei regeln, an die Präsentation der Extremisten in den Medien, an das programmatische Angebot der demokratischen Parteien, die politische Agenda der Öffentlichkeit, an die bisherigen Wahlerfolge der Extremisten, in denen sich die soziale Akzeptanz einer entsprechenden Wahlentscheidung widerspiegelt (Scheuch/Klingemann 1967: 21) sowie an die Anreize, die für Bürger (und Parteien) vom Wahlsystem ausgehen. Diese Faktoren, die unter dem Begriff der politischen Gelegenheitsstruktur zusammengefaßt werden können, dürften maßgeblich dafür verantwortlich sein, daß beispielsweise der Wähleranteil rechtsextremer Parteien in der Bundesrepublik starken zyklischen Schwankungen unterliegt, obwohl das Niveau rechtsextremer Einstellungen weitgehend konstant ist bzw. sogar leicht sinkt (Klein/Falter 1996, Arzheimer/Schoen/Falter 2001).

Ob schließlich die individuellen Wahlentscheidungen zu einem extremistischen Wahlerfolg auf der Makro-Ebene, d.h. zur Repräsentation im Parlament führen, hängt sowohl von der mathematischen Aggregation durch das jeweilige Wahlsystem als auch von der Fähigkeit der politischen Führer ab, untereinander formelle und informelle Wahlbündnisse zu schließen, die es ihnen ermöglichen, Sperrklauseln und andere Quoren zu überwinden (Cox 1997). Die Frage, ob es einer extremistischen Partei gelingt, die Schwelle zur parlamentarischen Repräsentation zu überwinden, ist für die Dynamik extremistischer Bewegungen von entscheidender Bedeutung, weil an diesem Punkt eine Reihe von Rückkopplungsmechanismen ansetzen. Zumindest einen dieser Mechanismen skizzieren Scheuch und Klingemann (1967:21f) selbst: Je größer der Stimmenanteil einer Partei ist, desto geringer dürften bei der nächsten Wahl die Effekte der sozialen Erwünschtheit sein, die einen Teil ihrer potentiellen Wähler davon abhalten, tatsächlich für diese Partei zu stimmen. Auf diese Weise kann eine extremistische Partei sogar für solche Bürger wählbar werden, die nur in geringem Umfang extremistische Einstellungen aufweisen, wie dies vermutlich bei der NSDAP der Fall war (Falter 1991).

Darüber hinaus hat das Erlangen der parlamentarischen Repräsentation eine Signalfunktion für taktische Wähler: Personen, die aufgrund ihrer Einstellungen eigentlich eine extremistische Partei präferieren, werden möglicherweise für eine demokratische Partei stimmen, wenn sie befürchten, daß ihre Stimme aufgrund des Wahlsystems verlorengeht. Gelingt es einer extremistischen Partei jedoch, die Sperrmechanismen des Wahlsystems zu überwinden und auf diese Weise relative Stärke zu demonstrieren, wird diese Gruppe in der nächsten Wahl vermutlich die extremistische Partei unterstützen, da die Gefahr einer „wasted vote“ (Schoen 1999) dann als geringer wahrgenommen wird Diese Logik gilt selbstverständlich auch umgekehrt: Ein Scheitern an der Sperrklausel kann die Anhängerschaft einer extremistischen Partei in der nächsten Wahl auf deren harten Kern reduzieren. Darüber hinaus verändern Wahlsieg oder –niederlage in vielfältiger Weise die oben genannten Randbedingungen der individuellen Wahlentscheidung, weil sie auf die Organisationsstruktur, die Medienpräsenz, die öffentliche Agenda, das programmatische Angebot aller Parteien und – im Falle von Wahlrechts- und Verfassungsänderungen oder Parteienverboten – sogar auf die institutionelle Struktur des politischen Systems zurückwirken. Nicht zuletzt schließlich erhöhen sie aufgrund des größeren Bekanntheitsgrades der Partei die Verfügbarkeit extremistischer Ideologien in einer Gesellschaft, können aber auch, wenn es zu einem Konsens der demokratischen Parteien und der Medien kommt, zur Folge haben daß solche Ideologien zunehmend als illegitim angesehen werden.

Abbildung 1 (Darstellung bereitet in vielen Browsern Probleme)–

Abbildung 1 zeigt die wesentlichen Elemente des Ansatzes und die Beziehungen zwischen ihnen noch einmal im Überblick. Dabei wird deutlich, daß es sich bei der Konzeption von Scheuch und Klingemann in der Tat nicht um eine geschlossene Theorie, sondern eher um die Skizze eines Forschungsprogramms handelt, das Raum für Erweiterungen läßt, was durch die vier zusätzlichen Pfeile im unteren Bereich angedeutet ist. Sie stehen für weitere Einflüsse auf das Individuum, die von der Mikro- oder Makro-Ebene ausgehen können.[4] Darüber hinausgehende Ergänzungen des Modells sind ohne weiteres denkbar. Diese offene Struktur, die Komplexität und die explizite Berücksichtigung mehrerer Analyseebenen machen den großen Reiz des Modells aus, erschweren aber zugleich eine empirische Überprüfung der von Scheuch und Klingemann formulierten Hypothesen. Überdies machen die Autoren keinerlei Aussagen darüber, wie stark die zu erwartenden Zusammenhänge zwischen den Variablen sind, sondern verweisen lediglich darauf, daß die Beziehungen zwischen den von ihnen benannten Variablen nicht deterministisch sind. Ziel unserer eigenen Untersuchung kann es deshalb nur sein, exemplarisch das große Potential des Modells für synchron und diachron vergleichende Studien auszuloten.

3.         Datenbasis und Operationalisierung

Für eine echte Prüfung des Ansatzes von Scheuch und Klingemann würde man Daten aus einer international vergleichend angelegten Mehrebenen-Erhebung benötigen. Auf der Makro-Ebene müßten sich die zu untersuchenden Gesellschaften hinsichtlich ihrer institutionellen Arrangements und der in ihnen ablaufenden Modernisierungsprozesse möglichst deutlich unterscheiden. Auf der Mikro-Ebene wäre dann zu prüfen, ob die Bürger in den verschiedenen Gesellschaften auf die Stimuli der Makroebene in der von Scheuch und Klingemann prognostizierten Weise reagieren. Ein solcher Datensatz steht unseres Wissens jedoch bisher nicht zur Verfügung.[5] Unsere Untersuchung beschränkt sich deshalb im wesentlichen darauf, das Mikro-Modell, von dem Scheuch und Klingemann ausgehen, in ein System von Strukturgleichungen zu überführen und die Parameter dieses Systems zu schätzen.

Selbst eine Umsetzung des Mikro-Modells für eine einzige, nämlich für die (west)deutsche Gesellschaft erwies sich jedoch als unerwartet schwierig, weil keine der uns bekannten Untersuchungen Fragen zur Wahrnehmung von Wertekonflikten, die sich auf Modernisierungsprozesse zurückführen lassen, enthält. Diese Schwierigkeit läßt sich allerdings durch die Verwendung von Proxy-Variablen abmildern, mit deren Hilfe die Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen modelliert wird, die von Wertekonflikten in besonderer Weise betroffen sind. Notgedrungen muß dabei angenommen werden, daß die Mitglieder dieser Gruppen die objektiv bestehenden Wertekonflikte auch tatsächlich wahrnehmen.

Schwerer wiegt dagegen ein zweites Problem: Es gibt so gut wie keine aktuellen Studien, in denen Persönlichkeitsmerkmale[6] untersucht wurden, die sich im Sinne des von Scheuch/Klingemann, Adorno und anderen verwendeten Konzeptes der Rigidität interpretieren lassen. In jüngster Zeit hat jedoch Siegfried Schumann im Rahmen seines Habilitationsprojektes eine bundesweite Umfrage durchgeführt, in der auch die sogenannte ASKO-Skala[7] (Schumann 1990, 2001) erhoben wurde.[8] Ähnlich wie die Skalen von Rokeach und Eysenck soll dieses aus neun Items bestehende Instrument das Vorhandensein eines geschlossenen Denkstils erfassen, ohne sich dabei explizit auf politische Gegenstände zu beziehen. Jedes der Items besteht aus einem Gegensatzpaar – beispielsweise „neue, bisher unbekannte Dinge“ vs. „bekannte Dinge“ – aus dem die Befragten spontan den ihnen sympathischeren der beiden Begriffe auswählen sollen. Der Skalenwert eines Befragten ergibt sich aus der Anzahl seiner „symptomatischen“, d.h. auf einen geschlossenen Denkstil hindeutenden Antworten und liegt dementsprechend zwischen null und neun. Inhaltlich kommt dieser Indikator dem Konzept der Rigidität, wie Scheuch und Klingemann es verwenden, sehr nahe.

Da der Datensatz neben der ASKO-Skala und anderen Instrumenten aus der Persönlichkeitsforschung außerdem auch eine ganze Reihe von Items enthält, die sich in der (Rechts-) Extremismusforschung gut bewährt haben, verwenden wir in diesem Beitrag ausschließlich die von Schumann erhobenen Daten. Bei der Auswertung beschränken wir uns auf jene 1339 Interviews, die in den westlichen Bundesländern durchgeführt wurden, da es angesichts der nach wie vor beträchtlichen politisch-kulturellen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen (Falter/Gabriel/Rattinger 2000) vermutlich wenig sinnvoll wäre, ein gemeinsames Modell für beide Teilgesellschaften zu schätzen und das ostdeutsche Sample mit einem Umfang von n=324 für eine separate multivariate Analyse zu klein ist.

Zur Messung antidemokratischer und antipluralistischer Einstellungen, die einen wesentlichen Bestandteil eines allgemein als antidemokratisch zu verstehenden extremistischen Denkens ausmachen, stehen in Schumanns Untersuchung zwei Einzelindikatoren zur Verfügung: Zum einen die Frage, ob unter bestimmten Umständen „eine Diktatur die bessere Staatsform“ sei, zum anderen das Item „Gruppen und Verbandsinteressen sollten sich bedingungslos dem Allgemeinwohl unterordnen.“ Die Bereiche Nationalismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Verklärung des Nationalsozialismus, die als Kernelemente eines spezifisch rechtsextremen Einstellungssyndroms gelten können, werden durch je zwei Indikatoren abgedeckt, die zu vier Summenindizes kombiniert wurden (Falter 1994). Eine Besonderheit der Schumannschen Untersuchung besteht darin, daß den Befragten bei diesen zehn Einstellungsitems statt der üblichen Ratingskalen dichotome Antwortvorgaben (richtig/falsch) gemacht wurden, woraus sich Konsequenzen für das zu verwendende Schätzverfahren und die Varianz der Antworten ergeben, auf die wir weiter unten eingehen.

Die Affinität zu den Parteien der extremen Rechten wurde mit Hilfe zweier Sympathie-Skalometer erfaßt: Auf einer Skala mit elf Abstufungen konnten die Befragten angeben, wie sympathisch oder unsympathisch ihnen Republikaner und DVU jeweils sind. Da nicht auszuschließen ist, daß es unter den besonders stark mobilisierten Anhängern beider Parteien zu einer Polarisierung kommt, so daß besonders engagierte Anhänger der Republikaner die DVU eher unsympathisch finden und umgekehrt, wurde nicht die Summe, sondern das Maximum beider Einzelindikatoren verwendet, um die Nähe zu den Rechtsparteien zu operationalisieren, weil es sonst zu Verzerrungen kommen könnte. Die eigentliche Wahlentscheidung zugunsten der Parteien der extremen Rechten wurde mit der üblichen Sonntagsfrage erhoben. Eine Wahlabsicht für DVU oder Republikaner wurde dabei mit eins, eine Wahlabsicht zugunsten einer anderen oder keiner Partei mit null kodiert.

Als Proxy-Variablen schließlich, die für die Betroffenheit durch die von Scheuch und Klingemann beschriebenen Wertekonflikte stehen, welche wiederum zur Entwicklung eines rigiden Denkstils führen sollen, kommt eine ganze Reihe von Größen in Betracht. An erster Stelle ist hier die Zugehörigkeit zur Gruppe der „Materialisten“ im Sinne der Wertewandelstheorie Ronald Ingleharts zu nennen. Nach der von Inglehart in zahlreichen Publikationen (u.a. Inglehart 1977, 1990) vertretenen These verlieren seit mehreren Jahrzehnten in allen demokratischen Gesellschaften ältere, auf materielle Sicherheit und die Erfüllung sozialer Normen ausgerichtete Werte zugunsten neuerer, auf Selbstverwirklichung und andere immaterielle Ziele bezogener Werte an Bedeutung. Dementsprechend sollte die Gruppe der „reinen Materialisten“, die ausschließlich jene älteren Werte vertreten, schrumpfen, während die Gruppen der „Mischtypen“ und der „reinen Postmaterialisten“ an Boden gewinnen sollte. Obwohl Ingleharts Wertewandelstheorie in den vergangenen Jahren einer heftigen methodologischen und inhaltlichen Kritik ausgesetzt war (vgl. u.a. Schumann 1989, Bürklin/Klein/Ruß 1994, Klein/Arzheimer 1999), auf die wir aus Platzgründen nicht näher eingehen können, wollen wir hier auf die von ihm entwickelte Typologie zurückgreifen, weil Ingleharts Instrument trotz der mit dem Erklärungsansatz verbundenen Probleme in der Lage sein dürfte, eine gesellschaftliche Gruppe zu identifizieren, die den von Scheuch und Klingemann beschriebenen Widerspruch zwischen ihren eigenen Grundüberzeugungen und dem gesellschaftlichen Trend empfindet. Für die Zwecke der Analyse reduzieren wir den ursprünglichen Inglehart-Index auf eine Dichotomie (eins = Materialisten, null = alle übrigen Wertetypen).

In einer ähnlichen Situation wie die Materialisten befinden sich jene Menschen, die sich selbst als Angehörige der „Arbeiterschicht“ sehen. Wie in allen westlichen Gesellschaften unterliegt auch in der Bundesrepublik der industrielle Sektor einem kontinuierlichen Schrumpfungsprozeß (Geißler 1996). Parallel dazu ist das klassische Arbeitermilieu mit seinem dichten Netz sozialer Beziehungen fast verschwunden. Unter diesen Umständen wird die Selbsteinstufung in die Arbeiterschicht tendenziell zum Indikator für einen Konflikt zwischen den Produktionsformen und sozialen Normen, die für die eigene Berufssphäre und das Herkunftsmilieu charakteristisch sind, einerseits und der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung (Scheuch/Klingemann 1967: 17) andererseits.

Ein positiver Zusammenhang zwischen der Selbsteinstufung als Arbeiter und einem hohen Maß an Rigidität könnte allerdings auch auf eine schichtspezifische Sozialisierung (Lipset 1960, Kitschelt 1995) zurückgehen oder sich dadurch erklären, daß es sich bei dem Betroffenen mit einiger Wahrscheinlichkeit um einen „Modernisierungsverlierer“ handelt, der aufgrund seiner negativen Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt einen rigiden Denkstil und extremistische Vorstellungen entwickelt. Diese letztgenannte Überlegung findet sich, wie oben erwähnt, in der neueren Literatur zum Extremismus häufig, greift aber über den ursprünglichen Ansatz von Scheuch und Klingemann hinaus. Auch die Schichtzugehörigkeit geht in unser Modell als Dichotomie ein.

Noch etwas komplizierter als bei der Schichtzugehörigkeit liegen die Verhältnisse bei der dritten von uns verwendeten Proxy-Variablen, nämlich der formalen Bildung. Im Sinne von Scheuch und Klingemann ist zunächst festzuhalten, daß die Zahl der Wertekonflikte, denen sich ein Individuum gegenübersieht, mit dem Grad der formalen Bildung[9] tendenziell abnimmt, da Bildungseinrichtungen als Sozialisationsinstanzen wirken. Darüber hinaus sollte eine höhere Schulbildung unabhängig von der Vermittelung von Werten einen offenen Denkstil fördern, während umgekehrt davon auszugehen ist, daß ein extremes Maß an Rigidität einer Bildungskarriere entgegensteht. Drittens schließlich muß eine niedrige formale Bildung ebenso wie die Einstufung als Arbeiter als Indiz dafür gelten, daß es sich bei dem jeweiligen Befragten um einen „Modernisierungsverlierer“ handelt. Für den zu erwartenden negativen Zusammenhang zwischen formaler Bildung und Rigidität gibt es also mehrere Ursachen, und die kausale Reihenfolge beider Größen ist nicht eindeutig festgelegt.[10] Wie bei der Schichteinstufung sind deshalb auch hier die möglichen Effekte, die hinter den beobachteten Zusammenhängen stehen, statistisch nicht voneinander separierbar.

Bei der letzten Proxy-Variablen, die wir in das Modell aufnehmen, handelt es sich um das Geschlecht, das stellvertretend für eventuelle spezifische Sozialisationsmuster steht. Aus dem Ansatz von Scheuch und Klingemann ergeben sich jedoch keine Hinweise darauf, in welche Richtung derartige Einflüsse wirken könnten. Deshalb betrachten wir das Geschlecht in erster Linie als Kontrollvariable.

Eine weitere mögliche Proxy-Variable, nämlich das Alter, haben wir nicht in das Modell einbezogen, obwohl nach den Überlegungen von Scheuch und Klingemann zu vermuten wäre, daß die Angehörigen älterer Generationen in stärkerem Maße von Wertekonflikten betroffen sind als jüngere Menschen, da ihre primäre und sekundäre Sozialisation länger zurückliegt und die Fähigkeit, sich an gesellschaftliche Veränderungen anzupassen, mit zunehmendem Lebensalter vermutlich abnimmt. Allerdings dürfte das Lebensalter keinen linearen Effekt auf die Entwicklung eines rigiden Denkstiles haben. Entscheidend sollte in diesem Zusammenhang vielmehr die Zugehörigkeit zu politischen Generationen sein, für deren Einteilung es keine klaren Richtlinien gibt. Zudem ist davon auszugehen, daß etwaige Alterseffekte nicht in allen sozialen Gruppen in gleicher Weise ausgeprägt sind, sondern vielmehr komplexe Interaktionen mit anderen Variablen wie der Bildung auftreten. Die Modellierung solcher Interaktionseffekte mit einer mehrfach gestuften nominalen Variablen in einem Strukturgleichungsmodell wäre mit kaum lösbaren statistisch-mathematischen Komplikationen verbunden. Da das Alter überdies relativ stark mit der formalen Bildung korreliert, welche die von Scheuch und Klingemann beschriebenen Wertkonflikte weitaus besser und in vergleichsweise unproblematischer Weise erfassen sollte, beschränken wir uns deshalb auf die vier genannten Proxy-Variablen.

Abbildung 2 (Darstellung bereitet in vielen Browsern Probleme)–

Abbildung 2 gibt einen Überblick über das von uns analysierte Modell, das aus insgesamt fünf hintereinander geschalteten Blöcken besteht: Ganz links sind die vier Proxy-Variablen zu erkennen, die für die Betroffenheit durch gesellschaftliche Widersprüche stehen, welche ihrerseits wieder auf Modernisierungsprozesse zurückgehen. Diese Einflußgrößen sind exogen, d.h. sie werden im Rahmen des Modells nicht erklärt, sondern als gegeben vorausgesetzt. Da zwischen den exogenen Variablen bekanntermaßen substantielle Zusammenhänge bestehen – beispielsweise weisen Arbeiter im Durchschnitt eine niedrigere formale Bildung auf als Angehörige anderer sozialer Schichten – wurden die Korrelationen zwischen ihnen als freie Parameter geschätzt.

Entsprechend dem von Scheuch und Klingemann vorgeschlagenen Erklärungsansatz enthält das Modell keine direkten Beziehungen zwischen Proxy- und Einstellungsvariablen. Statt dessen wird davon ausgegangen, daß Geschlecht und Bildung sowie Schicht- und Wertorientierungsgruppenzugehörigkeit einen Einfluß auf die Rigidität der Befragten bzw. deren „Affinität zu Stabilen Kognitiven Strukturen“ haben. Unter der (hier nicht geprüften, aber für die Bundesrepublik gegebenen) Voraussetzung, daß die politische Kultur entsprechende Ideologiefragmente zur Verfügung stellt, sollte ein hohes Maß an Rigidität wiederum dazu führen, daß die betreffenden Personen in der Tendenz Demokratie und Interessenpluralismus ablehnen und nationalistische, antisemitische, ausländerfeindliche und pro-nationalsozialistische Einstellungen annehmen. Diese sechs Einstellungsvariablen bilden den zentralen Block des Strukturgleichungsmodells.

Unter der (wiederum nicht modellierten) Bedingung, daß Parteien existieren, die solche Einstellungen in Politikentwürfe umsetzen, und daß diese Parteien von den Wählern korrekt wahrgenommen werden, sollten extremistische Einstellungen eine Affinität zu extremistischen Parteien nach sich ziehen. Diese Nähe zu den extremistischen Parteien führt dann (unter den obengenannten Voraussetzungen) zur Wahl dieser Parteien.

Somit sind in unserem statistischen Modell alle wesentlichen Aspekte des von Scheuch und Klingemann skizzierten Wirkungsmechanismus auf der Mikro-Ebene umgesetzt. Stünden Daten aus Ländern, die mit der alten Bundesrepublik vergleichbar sind, zur Verfügung, wäre es durch eine Erweiterung des mathematischen Modells prinzipiell möglich, darüber hinaus zumindest einige der von Scheuch und Klingemann benannten, hier nur in Parenthese aufgeführten moderierenden Wirkungen von Makro-Variablen auf Mikro-Zusammenhänge zu überprüfen.

Bevor nun aber die Parameter des Mikro-Modells für die alten Bundesländer geschätzt werden können, müssen noch zwei technische Probleme angesprochen werden, die einen erheblichen Einfluß auf unsere inhaltlichen Ergebnisse haben: Zum einen muß die Frage beantwortet werden, ob das Skalenniveau der Variablen dem gewählten Analyseverfahren angemessen ist, zum anderen ist zu klären, wie in jenen Fällen verfahren werden soll, in denen die Respondenten nicht alle Fragen des Interviewers beantwortet haben.

Zunächst zum ersten Punkt: Grundsätzlich setzt die Schätzung eines Strukturgleichungsmodells mit dem üblichen Maximum Likelihood-Verfahren Daten voraus, die mindestens intervallskaliert und dabei multivariat normalverteilt sind. Diese Bedingung ist bei der Analyse von Umfragedaten in aller Regel nicht erfüllt. In unserem Falle könnte höchstens die ASKO-Skala als intervallskaliert angesehen werden. Die klar erkennbar linkssteile Verteilung der Meßwerte weicht allerdings deutlich von einer Normalverteilung ab. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die anderen im Modell verwendeten Variablen, die allesamt lediglich zwei oder drei Ausprägungen aufweisen und schon deshalb nicht als normalverteilt angesehen werden können. Wendet man die Standardverfahren zur Schätzung von Strukturgleichungsmodellen auf derartige Daten an, sind die Ergebnisse verzerrt: Tendenziell wird die Stärke von Zusammenhängen unterschätzt, zudem werden korrekt spezifizierte Modelle zu oft als mit den empirischen Daten unvereinbar zurückgewiesen (Hoogsland/Boomsma 1998).

Zwei neuere Entwicklungen in der Analyse von Strukturgleichungsmodellen, auf deren Einzelheiten wir an dieser Stelle nicht eingehen können, entschärfen diese Problematik aber: Die Analyse polychorischer Korrelationen gibt ein realistischeres Bild von der Stärke der Zusammenhänge zwischen Variablen, die auf ordinalem Niveau gemessen werden, während das Erfordernis der multivariaten Normalverteilung aufgegeben werden kann, wenn die Schätzung der Parameter nach dem ADF-Verfahren erfolgt.[11] Die Kombination von polychorischen Korrelationen und ADF-Schätzung stellt vermutlich derzeit das am besten zur Analyse von Umfragedaten geeignete Verfahren dar (Jöreskog/Sörbom 1996: 8ff).

Auch das Problem der fehlenden Einzelmeßwerte (item non-response) ist in der Umfrageforschung weitverbreitet: Häufig bearbeiten Respondenten nur einen Teil des Fragebogens und überspringen dabei insbesondere solche Items, die sie als schwierig oder unangenehm empfinden. In anderen Fällen „vergißt“ der Interviewer, die entsprechenden Fragen zu stellen. Auch die von uns verwendeten Variablen sind vom Problem der item non-response betroffen. Dies gilt insbesondere für die Einstellungsfragen und die Items der ASKO-Skala: Während Fragen nach dem Geschlecht, dem Alter, der formale Bildung oder der subjektiven Schichteinstufung von maximal etwas mehr als einem Prozent der Befragten nicht beantwortet wurden, waren dort bis zu 23 Prozent Antwortausfälle (Sympathie für die vielen Wählern weitgehend unbekannte DVU) zu verzeichnen. Im Mittel blieben rund sieben Prozent der Einstellungsfragen unbeantwortet. Insgesamt sind die Daten von 779 der 1339 Befragten unvollständig.

In der Auswertungspraxis wenden Sozialforscher häufig ad-hoc-Verfahren (paarweises Löschen, listenweises Löschen) an, um Fälle mit fehlenden Werten aus dem Datensatz auszuschließen. Dieses Vorgehen ist aber insbesondere dann inakzeptabel, wenn die Daten zur Schätzung von multivariaten Modellen eingesetzt werden sollen, weil es den Umfang der Stichprobe wie in unserem Fall dramatisch reduziert und die Zusammenhänge zwischen den Variablen verzerrt (King et al. 2001).

In den letzten Jahren hat deshalb die multiple Imputation (Vervollständigung) von Datensätzen an Bedeutung gewonnnen. Das Prinzip der multiplen Imputation (vgl. für das folgende ausführlich Schafer/Olson 1998) beruht auf der Grundüberlegung, daß die Zusammenhänge zwischen den untersuchten Variablen problemlos geschätzt werden könnten, wenn für alle Fälle vollständige Beobachtungen vorlägen. Umgekehrt ließen sich fehlende Werte ergänzen, wenn Klarheit über die Zusammenhänge zwischen den Variablen bestünde. In einem iterativen Verfahren können deshalb auf der Grundlage der beobachteten Zusammenhänge plausible Annahmen über die Verteilung der fehlenden Werte hergeleitet werden, die wiederum genutzt werden, um zusätzliche Informationen über die Beziehungen zwischen den Variablen zu erhalten. Beide Schritte werden solange wiederholt, bis ein Konvergenzkriterium erreicht ist.

Anschließend ist es möglich, den unvollständigen Datensatz durch die Ziehung von Ersatzwerten aus diesen Verteilungen zu ergänzen und diesen vervollständigten Datensatz mit den gängigen statistischen Verfahren zu analysieren. Wiederholt man die Ziehung von Ersatzwerten (Imputation) mehrmals, so ergibt sich eine ganze Serie von ergänzten Datensätzen, die separat analysiert werden können. Je mehr Informationen über die fehlenden Werte sich aus den tatsächlich beobachteten Werten ableiten lassen, desto stärker ähneln diese Datensätze einander. Parameterschätzungen und Standardfehler aus den separaten Analysen – in der Regel werden zwischen drei und zehn imputierte Datensätze erzeugt – werden nach zwei einfachen Regeln miteinander kombiniert (King et al. 2001). Auf diese Weise erhält man Modellschätzungen, die einerseits alle tatsächlich vorhandenen Informationen nutzen und deshalb unverzerrt sind, zugleich aber die zusätzliche Unsicherheit, die aus dem Fehlen einiger Meßwerte resultiert, durch größere Standardfehler berücksichtigen.

Für unsere eigenen Berechnungen haben mit dem von Schafer (1997) entwickelten Programm NORM fünf vervollständigte Datensätze generiert.[12] Bei den im nächsten Kapitel wiedergegebenen Ergebnissen handelt es sich um die kombinierten Parameterschätzungen aus den fünf separaten Analysen. Die Signifikanz der Pfadkoeffizienten wird auf der Grundlage der kombinierten Standardfehler bestimmt. Dabei orientieren wir uns am konventionellen Fünf-Prozent-Niveau.

4.         Ergebnisse

Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben wir darauf verzichtet, die Parameterschätzungen in das in Abbildung 2 wiedergegebene Strukturmodell einzutragen. Statt dessen weisen wir alle Zusammenhänge in tabellarischer Form aus. Bei der Präsentation der Ergebnisse orientieren wir uns an dem von Scheuch und Klingemann vorgeschlagenen kausalen Ablauf.

Variablenpaar

Pearson’s r

Bildung Ñ Geschlecht

-,-

Bildung Ñ Arbeiter

-0,58

Bildung Ñ Materialismus

-0,39

Geschlecht Ñ Arbeiterschicht

-,-

Geschlecht Ñ Materialismus

-,-

Arbeiterschicht Ñ Materialismus

0,30

Tabelle 1: Korrelationen zwischen den exogenen Variablen

Tabelle 1 zeigt zunächst die Korrelationen der exogenen Variablen untereinander. Diese entsprechen weitgehend den Erwartungen. Zwischen dem Geschlecht einerseits und der formalen Bildung, der Schichtzugehörigkeit und der Orientierung an materialistischen Werten andererseits gibt es keine statistisch signifikanten Zusammenhänge. Ein mit r=0,30 deutlich positiver Zusammenhang besteht jedoch zwischen der Schichtzugehörigkeit und der Zugehörigkeit zur Gruppe der Materialisten. Noch etwas stärker ist der negative Zusammenhang zwischen formaler Bildung und materialistischen Wertorientierungen. Beide Ergebnisse sind plausibel und decken sich mit den Befunden früherer Studien zum Zusammenhang zwischen Sozialstruktur und Wertorientierungen. Ebenfalls plausibel ist der starke negative Zusammenhang zwischen Schichtzugehörigkeit und formaler Bildung.

Variablen

std. Pfadkoeffizient

r2 Ñ 100

Geschlecht è ASKO

-,-

 

Bildungè ASKO

-0,30

 

Arbeiterschichtè ASKO

0,14

 

Materialismus è ASKO

0,32

 

ASKO

 

36,4

Tabelle 2: Einfluß der exogenen Variablen auf die Rigidität der Befragten

Interessanter als diese Korrelationen ist für unsere Fragestellung jedoch der Einfluß[13] der exogenen Variablen, die für die von Scheuch und Klingemann angesprochenen Wertekonflikte stehen, auf das mittels der ASKO-Skala gemessene Persönlichkeitsmerkmal „Rigidität“. Geht man davon aus, daß diese Variablen tatsächlich als valide Approximation an die von Scheuch und Klingemann beschriebenen Prozesse gelten können, so sprechen unsere Ergebnisse eindeutig für die Hypothese der Autoren: Bildung hat einen deutlich negativen, Materialismus im Sinne Ingleharts einen ebenso deutlich positiven Einfluß auf die gemessene Rigidität. Statistisch noch signifikant von null verschieden, wenn auch sehr schwach ist hingegen der Effekt, der von der selbstdeklarierten Zugehörigkeit zur Arbeiterschicht ausgeht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich bei unseren Ergebnissen um simultane Schätzungen handelt. Der Koeffizient beschreibt deshalb den reinen Effekt der Schichtzugehörigkeit auf die gemessene Rigidität unter statistischer Kontrolle der übrigen Variablen. Gemeinsam erklären die exogenen Variablen rund 36 Prozent der Varianz der Rigidität. In Anbetracht der Tatsache, daß es sich hier um den Einfluß von Proxy-Variablen auf einen Summenindex handelt, dessen Einzelitems jeweils einen (im Modell nicht spezifizierten) Meßfehler aufweisen, ist dies ein durchaus zufriedenstellendes Ergebnis.

Variablen

std. Pfadkoeffizient

r2 Ñ 100

ASKO è Nationalismus

0,61

37,6

ASKO è Antisemitismus

0,69

48,0

ASKO è Pro-Nationalsozialismus

0,64

40,6

ASKO è Ausländerfeindlichkeit

0,76

58,2

ASKO è Antipluralismus

0,31

9,8

ASKO è Anti-Demokratie

0,49

24,2

Tabelle 3: Einfluß der Rigidität auf extremistische Einstellungen

Auch die positiven Zusammenhänge zwischen der mittels der ASKO-Skala gemessenen Rigidität und den extremistischen Einstellungen entsprechen den von Scheuch und Klingemann aufgestellten Hypothesen (vgl. Tabelle 3). Rigidität scheint dabei in erster Linie für die Entstehung spezifisch rechtsextremer Einstellungen verantwortlich zu sein: Während die Einflüsse auf antipluralistische und antidemokratische Attitüden relativ schwach sind, bestehen zwischen Rigidität einerseits und Nationalismus, Antisemitismus, der Befürwortung des Nationalsozialismus und insbesondere der Ausländerfeindlichkeit andererseits starke Zusammenhänge. Im Mittel läßt sich knapp die Hälfte der Varianz dieser Einstellungen auf das Persönlichkeitsmerkmal Rigidität zurückführen, was die Überlegungen Scheuchs, Klingemanns und etlicher älterer Autoren zum Zusammenhang zwischen einem geschlossenen Denkstil und der Anfälligkeit für rechtsextreme Ideologiefragmente eindrucksvoll bestätigt.

Variablen

std. Pfadkoeffizient

r2 Ñ 100

Nationalismus è REX-Parteisympathie

-,-

 

Antisemitismus è REX-Parteisympathie

-,-

 

Pro-Nationalsozialismus è REX-Parteisympathie

0,42

 

Ausländerfeindlichkeit è REX-Parteisympathie

0,23

 

Antipluralismus è REX-Parteisympathie

-,-

 

Anti-Demokratie è REX-Parteisympathie

0,12

 

REX-Parteisympathie

 

33,8

Tabelle 4: Einfluß extremistischer Einstellungen auf die Affinität zu den Rechtsparteien

Ein differenziertes Bild ergibt sich auch für den Einfluß der extremistischen Einstellungen auf die Affinität zu DVU und Republikanern: Nationalismus, Antisemitismus und Antipluralismus haben in multivariater Betrachtungsweise keinen signifikant von null verschiedenen Effekt. Eine positive Einstellung zum Nationalsozialismus, ein negatives Verhältnis zu Ausländern und – mit Einschränkungen – eine Ablehnung der Demokratie führen hingegen tendenziell zu einer Annäherung an die Parteien der extremen Rechten. Die Zusammenhänge sind allerdings nicht allzu stark ausgeprägt, was ebenfalls der Argumentation von Scheuch und Klingemann entspricht: Wie u.a. frühere Studien von Falter (1994) gezeigt haben, wenden sich längst nicht alle Bürger mit rechtsextremen Einstellungen auch den rechten Flügelparteien zu. Entscheidend sind hier vermutlich die von Scheuch und Klingemann benannten Randbedingungen, die in unserem auf die Mikro-Ebene beschränkten Modell nicht berücksichtigt werden konnten, insbesondere das programmatische und personelle Angebot der Rechtsparteien sowie die Fähigkeit der bürgerlichen Parteien, Wähler am rechten Rand des Elektorats zu binden.

Variablen

std. Pfadkoeffizient

r2 Ñ 100

REX-Parteisympathie è REX-Wahl

0,91

82,6

Tabelle 5: Affinität zu den Rechtsparteien und Wahlentscheidung

Sehr eng hingegen ist der Zusammenhang zwischen der Affinität zu den rechten Parteien und einer Wahlentscheidung zu ihren Gunsten, wie in Tabelle 5 zu erkennen ist: Wenn ein Bürger eine Partei am rechten Rand sehr sympathisch findet, wird er ihr mit großer Sicherheit auch seine Stimme geben. Insgesamt erzielt das Modell eine Anpassung an die empirischen Daten, die mit einem RMSEA von 0,075 zwar nicht perfekt ist, angesichts der notwendigen Hilfsannahmen und des ordinalen Charakters unserer Instrumente aber als durchaus befriedigend gelten kann.

5.         Fazit

Ausgangspunkt unseres Beitrages war die Feststellung, daß es bis zum heutigen Tag keine umfassende, empirisch gehaltvolle und allgemein anerkannte Theorie gibt, die den Erfolg rechtsextremer Parteien in modernen Gesellschaften erklären könnte. Die vor rund 35 Jahren von Hans-Dieter Klingemann und Erwin K. Scheuch entwickelte „Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften“ hätte aus unserer Sicht jedoch das Potential, diese Lücke zu schließen. Von anderen theoretischen Ansätzen auf diesem Gebiet unterscheidet sie sich vor allem durch die systematische Integration von Mikro- und Makro-Faktoren. Deshalb wäre sie als analytischer Rahmen für die international vergleichende Rechtsextremismusforschung besonders geeignet.

Da in den gängigen Rechtsextremismusstudien in der Regel keine Persönlichkeitsmerkmale untersucht werden, die im Ansatz von Scheuch und Klingemann eine zentrale Rolle spielen, wurde die Scheuch-Klingemann-Hypothese bislang jedoch kaum jemals empirisch untersucht. Ziel unserer Analysen war es deshalb, mittels der uns zur Verfügung stehenden Daten aus einer aktuellen Bevölkerungsumfrage die grundsätzliche Anwendbarkeit der Theorie zu prüfen. Aufgrund der Datenlage mußten wir uns dabei auf die Umsetzung des von Scheuch und Klingemann skizzierten Mikro-Modells beschränken. Insofern handelt es sich bei unserem Beitrag nicht um einen stringenten empirischen Test der Theorie, sondern eher um den Versuch, deren Möglichkeiten für eine zukünftige Anwendung auszuloten.

Richtung und Stärke der von uns beobachteten Effekte sprechen eindeutig für die Gültigkeit der von Scheuch und Klingemann formulierten Hypothesen über die Zusammenhänge zwischen gesellschaftlichen Konflikten, dem Persönlichkeitsmerkmal „Rigidität“ und dem Auftreten rechtsextremer Einstellungen. Die Rechtsextremismusforschung sollte deshalb den Ansatz von Scheuch und Klingemann nicht nur im Munde führen, sondern ihn tatsächlich empirisch aufgreifen, ihn systematisch weiterentwickeln und ihn insbesondere bei der Konzeption internationaler Studien stärker berücksichtigen.

6.         Literatur

Arzheimer, Kai, Harald Schoen und Jürgen W. Falter (2001): Rechtsextreme Orientierungen und Wahlverhalten. In: Schubarth, Wilfried und Richard Stöss (Hrsg.) (2001): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Opladen: Leske + Budrich, S. 220-245.

Adorno, Theodor W. u.a. (1950): The Authoritarian Personality. New York: Harper

Altemeyer, Bob (1996): The Authoritarian Specter. Cambridge und London: Harvard University Press

Backes, Uwe (1989): Politischer Extremismus in demokratischen Verfassungsstaaten. Elemente einer normativen Rahmentheorie. Opladen: Westdeutscher Verlag

Bürklin, Wilhelm, Markus Klein und Achim Ruß (1994): Dimensionen des Wertewandels. Eine empirische Längsschnittanalyse zur Dimensionalität und der Wandlungsdynamik gesellschaftlicher Wertorientierungen. In: Politische Vierteljahresschrift (35), S. 579-606.

Coleman, James S. (1990): Foundations of Social Theory. Cambridge: Belknap Press of Harvard University Press

Cox, Gary W. (1997): Making Votes Count. Cambridge, New York: Cambridge University Press

Druwe, Ulrich und Susanne Mantino (1996): Rechtsextremismus. Methodologische Bemerkungen zu einem politikwissenschaftlichen Begriff. In: Falter, Jürgen W., Hans-Gerd Jaschke und Jürgen R. Winkler (Hrsg.) (1996): Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung (=PVS Sonderheft 27). Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 66-80.

Esser, Hartmut (1996): Soziologie. Allgemeine Grundlagen. Frankfurt/Main und New York: Campus

Eysenck, Hans Jürgen (1954): The Psychology of Politics. London: Routledge and K. Paul

Falter, Jürgen W. (1991): Hitlers Wähler. München: Beck

Falter, Jürgen W. (1994): Wer wählt rechts? München: Beck

Falter, Jürgen W., Oscar W. Gabriel und Hans Rattinger (Hrsg.) (2000): Wirklich ein Volk? Die politischen Orientierungen von Ost- und Westdeutschen im Vergleich. Opladen: Leske + Budrich

Geißler, Rainer (1996): Die Sozialstruktur der Bundesrepublik Deutschland. Zur gesellschaftlichen Entwicklung mit einer Zwischenbilanz zur Vereinigung. Opladen: Westdeutscher Verlag

Hoogsland, Jeffrey J. und Anne Boomsma (1998): Robustness Studies in Covariance Structure Modeling.  In: Sociological Methods & Research (26), S. 329-367.

Hummell, Hans J. und Karl-Dieter Opp (1971): Die Reduzierbarkeit der Soziologie auf Psychologie. Eine These, ihr Test und ihre theoretische Bedeutung. Braunschweig: Vieweg

Inglehart, Ronald (1977): The Silent Revolution. Changing Values and Political Styles Among Western Publics. Princeton: Princeton University Press

Inglehart, Ronald (1990): Culture Shift in Advanced Industrial Society. Princeton: Princeton University Press

Jöreskog, Karl und Dag Sörbom (1996): PRELIS 2: User’s Reference Guide. Chicago: Scientific Software International

King, Gary, James Honaker, Anne Joseph und Kenneth Scheve (2001): Analyzing Incomplete Political Science Data: An Alternative Algorithm for Multiple Imputation. In: American Political Science Review (95), S. 49-69.

Kitschelt, Herbert (1995): The Radical Right in Western Europe. A Comparative Analysis. Ann Arbor: University of Michigan Press.

Klein, Markus und Kai Arzheimer (1999):  Ranking- und Rating-Verfahren zur Messung von Wertorientierungen, untersucht am Beispiel des Inglehart-Index. Ergebnisse eines Methodenexperimentes. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (51), S. 742-749.

Klein, Markus und Jürgen W. Falter (1996): Die dritte Welle rechtsextremer Wahlerfolge in der Bundesrepublik Deutschland. In: Falter, Jürgen W., Hans-Gerd Jaschke und Jürgen R. Winkler (Hrsg.) (1996): Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung (=PVS Sonderheft 27). Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 288-312.

Klein, Markus und Jürgen W. Falter (1996): Die Wähler der Republikaner zwischen sozialer Benachteiligung, rechtem Bekenntnis und rationalem Protest. In: Gabriel, Oscar W. und Jürgen W. Falter (Hrsg.) (1996): Wahlen und politische Einstellungen in westlichen Demokratien (=Empirische und methodologische Beiträge zur Sozialwissenschaft Bd. 15). Frankfurt und Bern: Peter Lang, S. 149-173.

Klingemann, Hans Dieter und Franz Urban Pappi (1972): Politischer Radikalismus. Theoretische und methodische Probleme der Radikalismusforschung, dargestellt am Beispiel einer Studie anläßlich der Landtagswahl 1970 in Hessen. München und Wien: Oldenbourg

Lipset, Seymour Martin (1960): Political Man. The Social Bases of Politics. Garden City: Doubleday

Lipset, Seymour Martin und Earl Raab (1970): The Politics of Unreason. Right-Wing Extremism in America, 1790-1970. New York: Harper & Row

Opp, Karl-Dieter (1995): Methodologie der Sozialwissenschaften. Einführung in Probleme ihrer Theoriebildung und praktischen Anwendung. 3. Auflage, Opladen: Westdeutscher Verlag

Rokeach, Milton (1960): The Open and the Closed Mind. Investigations into the Nature of Belief Systems and Personality Systems. New York: Basic Books.

Schafer, Joseph L. (1997): Analysis of Incomplete Multivariate Data. London: Chapman & Hall.

Scheuch, Erwin K. unter Mitarbeit von Hans Dieter Klingemann (1967): Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften. In: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Sozialpolitik (12), S. 11-19.

Schafer, Joseph L. und Maren K. Olsen (1998): Multiple Imputation for Multivariate Missing Data Problems. A Data Analyst’s Perspective. Multivariate Behavioral Research (33), S. 545-571.

Schumann, Siegfried (1989): Postmaterialismus: Ein entbehrlicher Ansatz? In: Falter, Jürgen W., Rattinger, Hans, Troitzsch, Klaus G. (Hrsg.) (1989): Wahlen und politische Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland: Neuere Entwicklungen der Forschung. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang Verlag, S. 67-101.

Schumann, Siegfried (1990): Wahlverhalten und Persönlichkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Schumann, Siegfried (2001): Persönlichkeitsbedingte Einstellungen zu Parteien. Der Einfluß von Persönlichkeitseigenschaften auf Einstellungen zu politischen Parteien. München und Wien: Oldenbourg.

Schoen, Harald (1999): Mehr oder weniger als fünf Prozent - ist das wirklich die Frage? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (51), S. 565-582.

van Deth, Jan (2000): Interesting but Irrelevant: Social Capital and the Saliency of Politics in Western Europe. In: European Journal of Political Research (37), S. 115-147.

Wende, Peter (1984): Radikalismus. In: Brunner, Otto, Conze, Werner, Koselleck, Reinhard (Hrsg.) (1984): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 5. Stuttgart: Klett-Cotta S. 113-133.

Winkler, Jürgen R. (1996): Bausteine einer allgemeinen Theorie des Rechtsextremismus. Zur Stellung und Integration von Persönlichkeits- und Umweltfaktoren. In: Falter, Jürgen W., Hans-Gerd Jaschke und Jürgen R. Winkler (Hrsg.) (1996): Rechtsextremismus. Ergebnisse und Perspektiven der Forschung (=PVS Sonderheft 27). Opladen: Westdeutscher Verlag S. 25-48.

Winkler, Jürgen R. (2001): Rechtsextremismus: Gegenstand, Erklärungsansätze, Grundprobleme. In: Schubarth, Wilfried und Richard Stöss (Hrsg.) (2001): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Bilanz. Opladen: Leske + Budrich S. 38-68.

 

7. Anhang: Items zur Messung von Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmalen

a) Die Items der ASKO-Skala:

„Bitte sagen Sie bei den folgenden Begriffspaaren jeweils, was Ihnen auf den ersten Blick rein gefühlsmäßig sympathischer ist - auch wenn es sich nicht immer um Gegensätze handelt“:

·       stetiger Wandel oder fest gefügte Verhältnisse

·       neue Ideen oder altbewährte Anschauungen

·       überraschende Situationen oder  klare, eindeutige Verhältnisse

·       Ruhe und Ordnung oder Bewegung und Neuerungen

·       Einordnung und Unterordnung oder Aufbegehren

·       Veränderungsfreudigkeit oder Traditionsverbundenheit

·       feste Regeln oder Improvisation

·       neue, bisher unbekannte Dinge oder bekannte Dinge

·        Erhaltung des Althergebrachten oder Reformen

b) Antidemokratische und antipluralistische Einstellungen

„Bitte sagen Sie nun noch bei den folgenden Feststellungen, ob sie Ihrer Meinung nach eher zutreffen (richtig) oder eher nicht zutreffen (falsch).“

c) Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Nationalismus und Befürwortung des Nationalsozialismus

„Bitte sagen Sie nun noch bei den folgenden Feststellungen, ob sie Ihrer Meinung nach eher zutreffen (richtig) oder eher nicht zutreffen (falsch).“

 

home.gif (1011 bytes)zurück zur Homepage

zurück zur Publikationsliste

PDF-Version

 



[1] Die politischen Richtungsbegriffe „links“ und „rechts“ und ihr Verhältnis zum Begriff des politischen Extremismus bedürfen im Grunde der Diskussion in einem eigenen Beitrag. Stark vereinfachend läßt sich festhalten, daß in der deutschsprachigen Literatur zu diesem Thema lange Zeit die u.a. von Uwe Backes (1989: 252) vertretene „Hufeisentheorie“ dominierte. Nach diesem stark von den politischen Verhältnissen in der alten Bundesrepublik geprägten Ansatz lassen sich die politischen Positionen der Parteien und ihrer Wähler durch die jeweilige Position auf einer einzigen Dimension, dem Links-Rechts-Kontinuum, adäquat beschreiben. Positionen am rechten Rand dieses Kontinuums sind mit einer Ablehnung des Prinzips der Gleichheit verbunden, Positionen am linken Rand betonen das Gleichheitsprinzip so stark, daß sie in Konflikt mit dem demokratischen Prinzip der Freiheit geraten. Extremismus, verstanden als Ablehnung demokratischer Prinzipien, kann deshalb nur an den Rändern des politischen Spektrums auftreten. Projiziert man die möglichen Positionen einer Person auf der Links-Rechts-Achse einerseits, ihre Nähe oder Distanz zu den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates andererseits auf eine Ebene, so ergibt sich eine U-förmige Kurve, der die Theorie ihren Namen verdankt.

In der angelsächsischen Literatur (u.a. Lipset 1960, Lipset und Raab 1971, in jüngerer Zeit Kitschelt 1995) findet sich hingegen häufiger die Vorstellung, daß politische Ziele und Einstellungen durch zwei voneinander unabhängige wirtschafts- bzw. gesellschaftspolitische Dimensionen beschrieben werden sollten. Für beide Sichtweisen gibt es gute Gründe, die wir hier aber nicht weiter diskutieren wollen, da sich unsere eigene Analyse strikt an der ursprünglichen Konzeption von Scheuch und Klingemann orientiert.

[2] Die Theorie von Scheuch und Klingemann sollte prinzipiell auch Erfolge linksextremer Bewegungen erklären können (Scheuch/Klingemann 1967: 19, 22). Ohnehin ist die inhaltliche Abgrenzung beider Extremismen nach dem Ende des Kalten Krieges noch problematischer geworden, als dies in früheren Jahrzehnten ohnehin schon der Fall war (Scheuch/Klingemann 1967: 12): Postkommunistische Parteien bemühen sich häufig um die „Wiederherstellung vergangener Organisationsformen und Werte“ und bieten „Erklärungsschemata und Idealbilder aus der ... konkreten Vergangenheit einer bestimmten Gesellschaft an“ (Scheuch/Klingemann 1967: 23). Damit handelt es sich bei ihnen nach der ursprünglichen Definition der Autoren um rechtsradikale Bewegungen. Da wir uns aufgrund der Datenlage aber auf die westdeutsche Teilgesellschaft beschränken müssen, in der derzeit nur der klassische Rechtsextremismus von Bedeutung ist, spielt diese Problematik für unsere Untersuchung keine Rolle.

[3] Parallelen zu den Anomie-Konzepten von Durkheim und Merton sind an dieser Stelle unübersehbar.

[4] Auf die Darstellung der oben angesprochenen Rückkoppelungen zwischen Wahlerfolgen und Rahmenbedingungen wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet.

[5] Vgl. aber in diesem Zusammenhang das von Hans-Dieter Klingemann mit initiierte Forschungsprogramm „Comparative Study of Electoral Systems“.

[6] Scheuch und Klingemann (1967: 19) rechnen die „Denk- und Orientierungsstile“, auf die sie sich beziehen, noch nicht der Persönlichkeit zu. Für unsere Argumentation spielt die von den Autoren getroffene Unterscheidung zwischen kognitiven Stilen und Persönlichkeitsmerkmalen im engeren Sinne aber keine wesentliche Rolle.

[7] ASKO steht für „Affinität zu Stabilen Kognitiven Strukturen“.

[8] Weder die Thyssen-Stiftung, die das Projekt finanziell gefördert hat, noch Siegfried Schumann, dem wir an dieser Stelle nochmals herzlich für die Überlassung der Daten danken wollen, sind in irgendeiner Form für die nachstehend berichteten Ergebnisse verantwortlich.

[9] Die formale Bildung geht als ordinale Variable mit den drei Ausprägungen „kein Abschluß oder Hauptschulabschluß“, „mittlere Reife und vergleichbare Abschlüsse“ sowie „Abitur und vergleichbare Abschlüsse“ in unser Modell ein.

[10] Generell ist eine Prüfung kausaler Zusammenhänge mit Umfragedaten kaum möglich, weil von wenigen Ausnahmen abgesehen die zeitliche Reihenfolge von hypothetischer Ursache und vermuteter Wirkung nicht eindeutig festgelegt werden kann. Außerdem besteht in aller Regel nicht die Möglichkeit einer umfassenden Drittvariablenkontrolle durch Randomisierung.

[11] ADF steht für „Asymptotically Distribution Free“. Voraussetzung für eine stabile ADF-Schätzung sind „große“ Stichproben. Angaben dazu, wie groß die Stichprobe konkret sein muß, finden sich in der Literatur allerdings selten.

[12] Die Imputation wurde mit den Rohdaten vorgenommen. Um den ordinalen Charakter der Daten zu berücksichtigen, wurden die ergänzten Werte entsprechend der Empfehlung von Schafer zum nächsten real vorkommenden Wert hin auf- oder abgerundet. Sämtliche Summenindizes wurden anschließend auf der Grundlage der vervollständigten Daten konstruiert.

[13] Zum Problem der kausalen Interpretation von Umfragedaten vgl. FN 10.