Was heißt „messen“ ?
Ganz allgemein: Eine Eigenschaft eines Objektes wird ermittelt, z.B. die Wahlabsicht eines Bürgers, das Bruttosozialprodukt eines Landes, die Häufigkeit von Konflikten im internationalen System
Sozialwissenschaftliche Messungen werfen besondere Fragen auf:
Konzeptspezifikation
Operationalisierung
Qualität der Messung

Konzeptspezifikation
Sozialwissenschaftliche Theorien sind zunächst meist nicht explizit und eindeutig
Theorien beinhalten dann eher vage Vorstellungen, die den Gegenstandsbereich strukturieren (=Konzepte): Macht, Identität, Herrschaft etc.
Diese Konzepte müssen spezifiziert, d.h. klarer definiert werden, damit mit ihnen aussagekräftige Theorien formuliert werden können (Bsp. Definition einer Ethnie nach Weber) â theoretisches Konstrukt
Spezielle Form der Nominaldefinition

Operationalisierung
Bei sozialwissenschaftlichen Objekten ist meist nicht offensichtlich, wie ihre Eigenschaften ermittelt werden können.
Operationalisierung ist eine Anweisung, die den Eigenschaften eines Objektes beobachtbare Sachverhalte zuordnet, also eine Meßanweisung
Theoretischer Begriff behauptet die Existenz mindestens einer Dimension (=Eigenschaft) eines Objektes
Haben alle Objekte die gleiche Eigenschaft, handelt es sich um eine Konstante

Variablen
Zusammenfassender Begriff für die verschiedenen Ausprägungen einer Eigenschaft
Abstufung:
dichotom
diskret
kontinuierlich
Beobachtbarkeit:
direkt: manifeste Variablen
indirekt: latente Variablen

Indikatoren
Latente Variablen werden mit Hilfe von Indikatoren (direkt beobachtbaren = manifesten Variablen) gemessen
Die Messung von latenten Variablen erfordert die Angabe von Indikatoren. Dieser Vorgang wird als Operationalisierung bezeichnet
Veränderungen der Indikatoren gelten als kausale Folge von Veränderungen der latenten Variablen

Multiple Indikatoren
In der Regel sind mehrere gleichwertige Indikatoren für eine latente Variable denkbar („homogenes Indikatorenuniversum“), die im Prinzip austauschbar sind
Bei einer konkreten Messung sollte eine repräsentative Auswahl aus diesem Universum verwendet werden
Meist werden für eine latente Variable mehrere („multiple“) Indikatoren verwendet, um Meßfehler zu reduzieren und verschiedene Messungen besser miteinander vergleichen zu können

Beispiel multiple Indikatoren

Probleme der indirekten Messung
Hat man wirklich geeignete Indikatoren gefunden (Korrespondenzproblem)?
Unterscheidung der drei Ebenen:
Theoretisches Konstrukt / Konzept
Indikatoren
Empirische Realität
„Reifizierung“: Verwechslung von theoretischem Konstrukt mit der Realität und/oder den Indikatoren

„Technische“ Definition von Messung
„Eine Messung ist die strukturtreue Abbildung eines empirischen Relativs ein ein numerisches Relativ“  bzw. eine strukturtreue Zuordnung von Zahlen zu Objekten
Relativ: Menge von Objekten, zwischen denen bestimmte Beziehungen bestehen
Strukturtreue
Isomorphismus
Homomorphismus
Ergebnis der Messung sind Daten auf einer Skala (im weitesten Sinne)

Skalenniveaus
Messungen, d.h. Abbildungen von empirischen auf numerische Relative, führen zu Daten
Diese Daten weisen ein bestimmtes Skalenniveau auf
Für diese Abbildungen sollten bestimmte Annahmen (Repräsentationstheorem, Eindeutigkeitstheorem) getroffen werden. In den Sozialwissenschaften dominiert aber die Messung per Übereinkunft
Je weniger strukturerhaltende mathematische Transformationen für eine bestimmte Skala zulässig sind, desto eindeutiger ist sie, und desto höher der Informationsgehalt

Skalenniveaus II

Eindimensionalität der Messung
Meßinstrumente (Skalen, Indizes) sollen eindimensional sein, d.h. nur auf eine latente Variable ansprechen
Ansonsten sind die Messungen strenggenommen nicht zu verwenden
Beispiel: Auf einem Schiff werden 73 Grad gemessen. Was nützt eine Messung, die sich auf Längengrad, Breitengrad und Temperatur bezieht?
Bei Indizes wird die Eindimensionalität unterstellt, bei Skalen wird sie geprüft.

Dimensionalität II

Dimensionalität III

Indexbildung
Kombiniert mehrere Einzelindikatoren
Im einfachsten Fall werden diese einfach zusammengezählt (additiver Index)
Sind die Indikatoren unterschiedlich wichtig, können Gewichte (=Punkte) vergeben werden
Ist das Vorhandensein eines Merkmals besonders wichtig, kann ein multiplikativer Index gebildet
Indizes sind in der Regel „quick & dirty“, weil sie auf ungeprüften Annahmen über den Zusammenhang der Indikatoren beruhen
Deshalb werden meist nur additive Indizes verwendet

Skalierungsverfahren
Dienen hauptsächlich der Messung von Einstellungen
Gehen von mehreren Indikatoren (=Items) aus
Prüfen Annahmen über den Zusammenhang der Indikatoren (Meßmodell)
Güte des Meßmodells wird vor Einsatz im Feld mit einer separaten Stichprobe  bzw. einem Expertengremium überprüft (=„Eichung“ der Skala)
Unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Annahmen über den Zusammenhang zwischen Antwortwahrscheinlichkeit und Ausprägung der latenten Variable (Itemcharakteristik)

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